In klassischen Pornos geht es wenig individuell zu. Meist räkeln sich knackige Mädels mit erotischen Kurven lasziv, um ihm zu gefallen. Er, der Typ mit den definierten Muskeln. Braungebrannt und gut frisiert fackelt er nicht lange und beginnt sie zu küssen, ihre Brüste zu verwöhnen und ihre Muschi zu streicheln. Ziemlich schnell kommen die beiden zur Sache. Ein paar Stellungswechsel hier, ein Blowjob da. Zwischendrin noch ein paar Nahaufnahmen und fertig ist der Streifen.
Es gibt zwar viele Menschen, die von so einem Szenario geil werden, der Mehrheit entspricht dies aber nicht. Der Realität in deutschen Betten schon zwei Mal nicht. Immer mehr Darsteller, Regisseure und Produzenten versuchen dem guten alten Porno ein neues Image zu verpassen. Wir haben uns in der Szene mal umgehört und nachgefragt: Wie muss er sein, der faire Porno?
Die alte Leier
In der Porno-Branche sind stereotype Darstellungen immer noch absolut normal. Der Mann als potenter „Hengst“, der sich nimmt, was er möchte. Besonders gutaussehend ist er natürlich auch und auch sein Penis muss sich nicht verstecken.
Sie dagegen: willig, unterwürfig und bereit ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Natürlich lässt sie sich auch gerne von mehreren Männern gleichzeitig in allen Körperöffnungen penetrieren und ist stets so erregt, dass sie außer lautem Stöhnen nicht viel herausbringt.
Weibliche Kurven, aber bitte keine Speckpolster, natürlich mit langen Haaren und sinnlichen Lippen. Klischeehafte Merkmale, welche die Pornodarstellerin idealerweise mitbringen sollte.
Fernab jeglicher Realität
Guter Sex funktioniert also nur, wenn beide irre heiß sind und er sie so richtig hernimmt. Zumindest wollen viele Pornos uns so etwas vorgaukeln. Doch der Durchschnitt der Gesellschaft sieht ganz anders aus.
Der eine hat ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, der andere hat mit lichter werdendem Haar zu kämpfen. Frauen, die unzufrieden sind, weil die Brüste nicht mehr so straff sind, wie mit Mitte 20 und ihre grauen Haare regelmäßig färben.
Müde und erledigt vom stressigen Alltag, oft auch mit Kindern und Familie, wünschen Paare sich den aufregenden Sex der Anfangszeit zurück. Oft mit noch mehr Frust, weil sie nicht kommt oder er zu schnell. Pornofilme, die so überzogene und unrealistische Vorstellungen vermitteln, sorgen oft für Druck statt prickelnder Leidenschaft.
Auch stören sich immer mehr Menschen an dem Frauenbild, welches in herkömmlichen Pornofilmen dargestellt wird. Die Frau wird häufig als minderwertiges Lustobjekt behandelt und als nicht gleichberechtigt abgebildet.
Grenzüberschreitungen sind weiterhin akzeptiert
Pornos, die gestellte Vergewaltigungen darstellen findet man immer wieder. Sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen gehört in vielen Produktionen zum guten Ton. Vor allem junge und unerfahrene Frauen machen so einiges ohne es wirklich zu wollen. Sie werden überredet, mit Erfolg und viel Geld gelockt oder sogar unter Druck gesetzt.
In dem vornehmlich durch Männer geprägten Umfeld eines Pornodrehs wird vor allem von Frauen regelmäßig verlangt, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Pausen werden eingelegt, wenn er eine braucht und die Drehpartner lernt eine Frau auch oft erst kennen, wenn sie schon nackt vor der Kamera steht.
Besonders bedenklich daran ist, dass sich viele Jugendliche an Pornos orientieren und so ein falsches Bild einer normalen Sexualität haben. Da Sex und ein erfülltes Sexleben noch immer Tabu Themen sind, haben junge Menschen die ersten Erfahrungen mit Sex durch den Konsum von pornografischen Inhalten.
Neue Konzepte kommen gut an
Auch unter den Menschen, die regelmäßig Pornos schauen, finden sich immer mehr, die sich realistische und authentische Geschichten rund um die schönste Sache der Welt wünschen. Auch die Skandale um kinderpornografisches Material und Vergewaltigungen, die auf Pornhub oder X-Videos veröffentlicht wurden, haben bei vielen Usern zu einem Umdenken geführt.
Immer mehr Darsteller und Darstellerinnen, Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseure setzen auf Filme, die die Realität darstellen. Sie engagieren sich dafür, ansprechende erotische Unterhaltung zu schaffen, die Stereotypen keine Chance lässt.
Allen voran die schwedische Regisseurin Erika Lust. Sie ist quasi eine Pionierin darin, geschmackvolle Pornos zu produzieren, die von allen gerne angesehen werden und tatsächlich lustvolle Inspiration sein können.
Fair in jeglicher Hinsicht
Auch Kira und Leon aus Freiburg haben eine Vision, die sie umsetzen wollen. Die beiden Studenten legen besonderen Wert auf Gleichberechtigung in allen Bereichen. Von der Bezahlung über die Mitbestimmung des Drehs bis hin zur Geschlechterverteilung am Set.
Das Projekt soll so bunt und divers wie nur möglich werden und somit ein Zeichen gegen Ausbeutung, Diskriminierung und das Schmuddel-Image des Pornos setzen.
Denise Kratzenberg ist Mitbegründerin der Plattform Cheex, welche erotische Unterhaltung für Erwachsene anbietet. Auch sie findet, dass ethisch korrekte Pornos die Mainstream-Filme ablösen sollten.
Aktuell werden von Cheex zwar noch keine eigenen Produktionen veröffentlicht, alle Angebote werden jedoch sorgfältig geprüft. So besteht beispielsweise zu den meisten Akteuren persönlicher Kontakt um faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu garantieren.
Sex ist Vielfalt - auch in Pornos
Authentische und diverse Darstellungen sind eine Grundsäule der fairen Pornos. Im Idealfall zeigt ein gelungener erotischer Film Menschen aus dem echten Leben, die bewusst und achtsam miteinander und mit der eigenen Sexualität umgehen.
Zwar ist der Begriff „Feministische Pornografie“ auch im Zusammenhang mit fairen Pornos immer wieder gleichgesetzt. Doch wer sich genau damit beschäftigt merkt, dass ein fairer Porno zwar wohl ein anderes Frauenbild vermittelt als herkömmliche Clips.
Trotzdem gehört mehr dazu: Auch Menschen mit Behinderung, Personen mit Übergewicht und sämtliche andere „Minderheiten“ haben ein befriedigendes und erfülltes Sexualleben. Dies soll auch in die pornografische Darstellung integriert werden.
Besonders wichtig ist es Produzenten von ethischen Pornofilmen auch, dass die Darsteller Spaß an der Arbeit haben. Um realistische Darstellungen und authentische Produktionen gestalten zu können, sollte der Sex vor der Kamera auch authentisch sein.
Gefühle und Emotionen können so gut zum Zuschauer transportiert werden. Durch den Wegfall der vielen Klischees identifizieren sich die Zuschauer auch viel mehr mit den Akteuren. So kann echte Inspiration stattfinden und die Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft weiter wachsen.
Faire Arbeitsbedingungen sind für viele Produzenten mittlerweile auch Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Videodreh. Der Zuschauer nimmt wahr, dass alle Beteiligten Safer Sex praktizieren und sich somit vor Krankheiten und deren Folgen schützen.
Die meisten Nutzer sind gerne bereit, für fair produzierte Filme zu bezahlen. Viele Plattformen bieten Mitgliedschaften für einen überschaubaren Betrag an. Die Gewissheit, dass man den Film auch wirklich in vollen Zügen genießen kann, sollte es einem Wert sein.
Es bleibt zu hoffen, dass sich der Trend fortsetzt und in den nächsten Jahren ein neues Idealbild des Pornos geschaffen wird. Letztendlich hat es der User in der Hand. Durch die bewusste Entscheidung, was man konsumiert, kann jeder seinen Beitrag für Veränderung im Porno-Business leisten.
Quellen: derstandard.de, swr.de, welt.de